Der einst so unterhaltsame Aprilscherz hat seinen Reiz verloren. Heutzutage ist er eher ein Tag voller beängstigender Falschmeldungen, fingierter Pressemitteilungen und übler Scherze, die sogar Dienste wie Gmail lahmlegen können. Es ist an der Zeit, dass alle dem vorbildlichen Verhalten von Microsoft folgen und diesem Treiben ein Ende setzen.
Der Aprilscherz: Eine Eskalation der Absurdität
Es scheint, als ob der Aprilscherz von Jahr zu Jahr noch unerträglicher wird. Und nein, wir reden uns das nicht nur ein, weil wir älter werden. Die Funktionsweise des Internets und die Art und Weise, wie sich jeder – von Technologiekonzernen bis hin zu Nachrichtenportalen – dem Aprilscherz nähert, hat sich grundlegend gewandelt.
Der legendäre BBC-Scherz aus dem Jahr 1957, der die Spaghettiernte von Bäumen zeigte, mag einige Leute hinters Licht geführt haben, aber er war letztlich amüsant. Mit ein wenig Recherche hätte man schnell feststellen können, dass dies physikalisch unmöglich ist.
Diese Spaghetti-Falschmeldung wurde damals am Aprilscherz im Fernsehen der BBC ausgestrahlt und nicht etwa als fortlaufendes Segment das ganze Jahr über. Im Gegensatz dazu kann man online noch Monate später über gefälschte Artikel stolpern und sich täuschen lassen, bevor man bemerkt, dass sie am ersten April veröffentlicht wurden.
Das Internet ist anders geworden. Technologieunternehmen verkünden am Aprilscherz oft „Produkte“, die tatsächlich existieren könnten – aber eben nicht, weil es ja der 1. April ist!
Um die Verwirrung noch zu steigern, können einige verrückte Ankündigungen am Aprilscherz durchaus echt sein. Gmail wurde bekanntermaßen am 1. April 2004 angekündigt, und viele hielten es für einen Witz, da Google unmöglich 1 GB E-Mail-Speicher anbieten konnte. Hotmail bot damals nur 2 MB (also 0,2 % von Gmails Speicherkapazität). Ist es also verwunderlich, dass die Leute glauben, Google würde tatsächlich einen Gartenzwerg mit Google Assistant, einen App-Store für Haustiere, oder gar selbstfahrende Fahrräder ankündigen? Die Leute erwarten von Unternehmen, dass sie nicht mit erfundenen Pressemitteilungen täuschen. Zudem ist es leicht, das Datum zu übersehen – vor allem, wenn man solche Geschichten Tage oder Wochen später entdeckt.
Es geht aber nicht nur um irreführende Nachrichten. Manche Scherze sind störend und verursachen ernsthafte Probleme. Googles „Mic Drop“-Scherz aus dem Jahr 2016, bei dem Gmail um eine Schaltfläche erweitert wurde, die den aktuellen E-Mail-Thread archivierte, stumm schaltete und ein animiertes GIF eines Minions verschickte, hat vielen Nutzern Probleme bereitet. Viele haben versehentlich auf diese Schaltfläche geklickt – und manchmal aktivierte Gmail diese Funktion sogar unabsichtlich! Plötzlich war ein E-Mail-Thread stummgeschaltet, ohne dass man es wollte – welch lustiger Aprilscherz, oder?
Der Aprilscherz war früher mal unterhaltsam, doch wenn Technologieunternehmen die von uns allen verwendeten Werkzeuge manipulieren und damit Probleme verursachen, ist es an der Zeit, eine Grenze zu ziehen – oder, um es mit den Worten von Google zu sagen, das Mikrofon fallen zu lassen.
Seien wir ehrlich: Selbst wenn Aprilscherze offensichtlich als Falschmeldungen erkennbar sind und keinen Schaden anrichten, sind sie oft einfach nur peinlich und nicht wirklich amüsant. Wir mögen Roku, aber ist „Roku SnackVorschlag“, ein Roku-Kanal, der Snacks zu TV-Serien vorschlägt, wirklich ein witziger Einfall? Wir finden nicht.
Microsoft zieht die Notbremse
Glücklicherweise hat zumindest ein Unternehmen die Zeichen der Zeit erkannt. Microsoft sorgte für Schlagzeilen, als Marketingchef Chris Capossela Aprilscherze intern verbot und alle Mitarbeiter anwies, sämtliche öffentlich geplanten Scherzaktionen abzusagen. „Ich bin mir bewusst, dass Mitarbeiter möglicherweise Zeit und Ressourcen in diese Aktivitäten investiert haben, aber ich bin überzeugt, dass wir mehr zu verlieren als zu gewinnen haben, wenn wir an diesem einen Tag versuchen, witzig zu sein“, schrieb er.
In der Vergangenheit hat Microsoft den Aprilscherz genutzt, um auf Bing.com gegen Google zu sticheln und bezog sich dabei auf die minimalistische Google-Homepage, die eine „gewisse Einwahl-Ästhetik von 1997“ aufweise und „veranschauliche, wie unsere Welt aussehen würde, wenn wir uns nicht weiterentwickelt hätten“. Matt McGee schrieb dazu im Jahr 2013 auf Search Engine Land: „So viel zum lockeren und humorvollen Geist des Aprilscherzes. Wow, Bing.“
Zum Glück ist Microsoft heute ein Vorreiter – und hat auch die gehässige Scroogled-Kampagne vor einigen Jahren eingestellt.
Natürlich haben nicht alle Unternehmen den Horror-Aprilscherz übernommen. Wie John Gruber anmerkt, hat Apple noch nie einen Aprilscherz gemacht.
Vorsicht bei der Wahl der Opfer
Wir haben zwar eine Liste von Computer-Scherzen für Nerds zusammengestellt, die man anderen spielen kann, aber bitte mit Bedacht. Möchten Sie Ihrem Bruder oder einem Freund, mit dem Sie eine laufende Scherzfehde haben, einen Streich spielen? Ja, das könnte lustig sein. Aber am Computer eines weniger technisch versierten Kollegen herumspielen, wenn man keine solche Beziehung pflegt? Lieber nicht.
Genau das ist das große Problem, mit dem Technologieunternehmen ins Fettnäpfchen getreten sind. Es macht Spaß, mit Leuten zu scherzen, die auch Scherze machen – aber das ganze Internet auf den Arm zu nehmen und die Funktionsweise von Gmail für alle zu verändern? Das ist nicht wirklich cool.