Browser Choice kommt mit iOS 14 endlich auf das iPhone

Viele vermuten, dass die größte Neuigkeit der WWDC 2020 die Abkehr von Intel-Prozessoren zugunsten eigener Apple-Chips sei, doch das ist nicht der Fall. Die wirklich bedeutende Neuerung ist, dass Nutzer mit iOS und iPadOS 14 endlich ihren bevorzugten Standardbrowser und ihre E-Mail-Anwendungen festlegen können.

Was macht diese Änderung so wichtig?

Auf der vollständig digital abgehaltenen WWDC 2020 am 22. Juni 2020 präsentierte Apple die nächste große Version des Betriebssystems für iPhone und iPad: iOS 14 (bzw. iPadOS 14 für Tablets). Eine stabile Version wird voraussichtlich im Herbst 2020 veröffentlicht werden.

Neben einem überarbeiteten Startbildschirm und einer optimierten App-Organisation ermöglicht iOS 14 den Benutzern erstmals, ihren Standardbrowser und E-Mail-Client zu bestimmen. Bisher war Safari der festgelegte Browser, während Mail die E-Mail-Verwaltung übernahm.

Wer bereits einen Browser eines Drittanbieters wie Chrome oder Firefox verwendet, mag sich fragen, worum es hier eigentlich geht. Die Änderung ist systemweit wirksam und erlaubt es, zu steuern, welche App geöffnet wird, wenn ein Weblink oder eine E-Mail-Adresse angeklickt wird.

Zwar unterstützen einige Apps bereits das Öffnen von Links in alternativen Browsern, aber dies ist das erste Mal, dass Apple diese Funktion für das gesamte Betriebssystem freigibt.

Dieser Schritt passt zu Apples Strategie, die einst strengen Beschränkungen des Systems schrittweise zu lockern. Im Jahr 2014 erlaubte iOS 8 erstmals Tastaturen von Drittherstellern. Mit iOS 10 im Jahr 2016 konnte Siri endlich mit Apps wie Uber und WhatsApp interagieren.

Ein Jahr später führte iOS 11 einen Dateimanager namens „Dateien“ ein. iOS 12 brachte „Kurzbefehle“, eine App, mit der Benutzer einfache oder komplexe Arbeitsabläufe erstellen können, die durch eine Sprachbefehl mit Siri gestartet werden können. Sogar proprietäre Technologien wie AirPlay finden ihren Weg in Displays von Samsung.

Nun hat das iPad ein Trackpad und man kann eine Maus mit dem iPhone verbinden – etwas, das Apple lange abgelehnt hatte. Apple bezeichnet das iPad Pro inzwischen sogar als Computer, nachdem man in der Vergangenheit eher zögerlich war, es als Laptop-Ersatz zu bewerben.

Safari bleibt im Hintergrund

Bevor man sich zu sehr freut, sollte man einen wichtigen Punkt beachten. Die Chrome-Version, die auf einem MacBook installiert ist, ist nicht identisch mit der auf dem iPhone oder iPad. Auf dem iPhone oder iPad nutzt Chrome weiterhin die Rendering-Engine von Apple.

Das bedeutet, dass Safari weiterhin die Grundlage für das Surferlebnis unter iOS oder iPadOS bildet. Die Installation eines Browsers eines Drittanbieters ändert weder die Ladezeiten noch die Darstellung der Webseiten. Dies erleichtert Entwicklern die Ansprache einer großen Nutzerbasis, da alle Webseiten nach den gleichen Regeln dargestellt werden, unabhängig von der verwendeten App.

Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass diese Einschränkung Entwickler nicht daran hindert, innovative Browser mit besonderen Funktionen zu entwickeln. Der frühere Opera Mini komprimierte Webseiten, um Nutzern mit langsamen Internetverbindungen ein schnelleres Surfen zu ermöglichen. Sein Nachfolger, Opera Touch, bietet eine Kryptowährungs-Wallet und blockiert Web-basierte Krypto-Miner. Man kann auch Onion-Seiten über das Tor-Netzwerk mit dem Onion Browser auf dem iPhone nutzen.

Browser von Drittanbietern haben bewiesen, dass sie einen Platz auf dem iPhone haben. Sie verwenden eigene Benutzeroberflächen und bieten einen eigenen Funktionsumfang. Man kann sich bei seinem Mozilla- oder Google-Konto anmelden, Tabs geräteübergreifend synchronisieren, auf persönliche Einstellungen zugreifen und Lesezeichen verwalten. Viele beinhalten auch integrierte Datenschutzfunktionen wie Adblocker und VPN-Dienste.

Mit iOS 14 respektiert das Betriebssystem (und alle anderen Apps) die Auswahl des Browsers, sodass man sich zumindest äußerlich von Safari befreien kann. Für Windows-Nutzer, die Edge bevorzugen, oder Chromebook-Nutzer, die tief im Google-Ökosystem verwurzelt sind, ist dies ein deutlicher Fortschritt.

Warum hat Apple diese Änderung vorgenommen?

Apple gibt seine internen Entscheidungsprozesse nicht bekannt, aber es gibt einige Anzeichen dafür, warum diese Richtlinie nun geändert wurde. Am naheliegendsten ist, dass viele App-Entwickler diese Art von Änderung schon seit längerem gefordert haben.

Die Apps von Google werben stark für die Nutzung von Chrome unter iOS. Wer einen Link zum ersten Mal in Gmail öffnet, wird gefragt, ob er ihn in Chrome, Google (einer Suchmaschinen-App, die als Browser fungieren kann) oder Safari öffnen möchte. Andere bekannte Apps wie Reddit erlauben es, einen „Link-Browser“ wie Google Chrome auszuwählen.

Diese Apps nutzen die Möglichkeit, Informationen zwischen Prozessen auszutauschen. Sobald man in einer solchen Drittanbieter-App einen anderen Browser als Safari gewählt hat, wird die Benutzererfahrung von iOS weniger konsistent. Indem man den Nutzern erlaubt, eine systemweite Einstellung vorzunehmen, wird die Konsistenz über die gesamte Plattform wiederhergestellt. Dasselbe gilt für E-Mail-Clients.

Ist es Zufall, dass die Änderung just dann kommt, während Apple mit zwei Untersuchungen wegen wettbewerbswidrigem Verhaltens in Europa konfrontiert ist? Vielleicht. Aber es ist kein Geheimnis, dass ein solcher Schritt dem Unternehmen wohlwollende Anerkennung bei seinen Kunden einbringt. Er signalisiert, dass Apple offen für Veränderungen und Weiterentwicklungen ist – ob das nun zutrifft oder nicht.

Wie geht es weiter?

Apple macht mit der Zeit kleine Zugeständnisse. Was mit Tastaturen von Drittanbietern begann, hat sich nun zu Browsern und E-Mail-Clients von Drittanbietern entwickelt. Möglicherweise werden auch andere App-Kategorien ähnliche Änderungen erfahren, aber wie weit Apple gehen wird, bleibt abzuwarten.

Google forciert seine iOS-Apps bereits. Unter den „Einstellungen“ in Apps wie YouTube oder Gmail gibt es einen Abschnitt „Standard-Apps“, der einige offensichtliche Optionen bietet. Dazu gehört die Verwendung von Waze oder Google Maps anstelle von Apple Maps zum Öffnen von Adressen und die Verwendung von Google Kalender anstelle der standardmäßigen Kalender-App von Apple. Wenn die Apps noch nicht installiert sind, wird man aufgefordert, sie herunterzuladen.

Es wäre eine wünschenswerte Option, eine Standard-Kamera-App für die Verknüpfung auf dem Sperrbildschirm festlegen zu können.

Eines ist jedoch sicher: Es ist unwahrscheinlich, dass Apple größere Änderungen wie die Möglichkeit für Benutzer, die Standard-Messaging-App zu ändern, einführen wird, wie es bei Android-Nutzern beliebt ist.

iOS 14: Update erforderlich

iOS 14 wird ungefähr zur gleichen Zeit veröffentlicht wie die neuesten iPhone-Ankündigungen von Apple, typischerweise Ende September oder Anfang Oktober. Bis dahin kann man sich für die öffentliche Beta-Version von iOS 14 anmelden, die im Juli verfügbar sein soll.

Es ist wichtig zu beachten, dass Beta-Software eine Vorabversion ist. Man sollte das Gerät vor der Installation der Beta-Version sichern und bedenken, dass möglicherweise nicht alles reibungslos funktioniert. Zudem müssen alle Apps, die man als Standard-E-Mail oder -Browser nutzen möchte, von ihren jeweiligen Entwicklern für diese Änderung aktualisiert werden.

Selbst wenn man die Beta-Version installiert, gibt es keine Garantie, dass der gewünschte Browser oder E-Mail-Client sofort funktioniert. Aber das ist nicht der einzige Grund, die Beta von iOS 14 auszuprobieren. Entdecken Sie alle neuen Funktionen, die in diesem Herbst auf dem iPhone und iPad verfügbar sein werden.