Der Wettbewerb um die beste Smartphone-Kamera ist seit jeher ein Wettlauf um Zahlen. Welches Unternehmen kann mit den meisten Megapixeln, Kameras oder dem größten Zoom aufwarten? Doch die Gesetze der Physik stehen dem optischen Zoom und den schlanken Bauformen der Smartphones im Weg.
Bereits im Juli 2020 gab es Gerüchte, dass Apple ein zukünftiges iPhone mit einem Periskop-Teleobjektiv ausstatten könnte. Periskop-Objektive sind nicht neu und lösen die Größenprobleme, die herkömmliche Teleobjektive mit sich bringen.
Hier erklären wir, wie sie funktionieren und was dies für die Zukunft der Smartphone-Branche bedeutet.
Die Bedeutung der Größe in der Fotografie
Die größten Herausforderungen in der Fotografie waren immer physikalischer, nicht technologischer Natur. Es gibt grundlegende optische Gesetze, die nicht einfach umgangen werden können. Aus diesem Grund sind Objektive für DSLR- und spiegellose Kameras so groß und schwer. Um lange Brennweiten und große Blenden zu realisieren, müssen die Objektive selbst eine bestimmte Größe haben.
Beispielsweise benötigt ein Objektiv mit einer Brennweite von 200 mm und einer maximalen Blende von f/2.8 eine Frontlinse mit einem Durchmesser von mehr als 70 mm. Und das sind noch nicht alle fertigungstechnischen Aspekte.
Smartphone-Kameras stoßen auf die gleichen Beschränkungen, jedoch in einem viel kleineren Maßstab. Durch die Verwendung kleinerer Sensoren erzielen sie eine größere Vergrößerung bei kürzeren Brennweiten. Diese Bauweise bringt jedoch zahlreiche Kompromisse mit sich.
Das iPhone 11 Pro beispielsweise verfügt über ein Teleobjektiv mit einer 52-mm-Vollformat-äquivalenten Brennweite, das tatsächlich nur 6 mm groß ist. Um dasselbe Bild mit einer professionellen DSLR aufzunehmen, wäre ein 52-mm-Objektiv erforderlich. Da der Telekamerasensor des iPhones eine Größe von 1/3,6 Zoll (ca. 5 mm diagonal) hat, wird die entsprechende Vergrößerung erzielt.
Hersteller stehen jedoch vor Herausforderungen. Die Sensoren können nicht beliebig verkleinert werden, ohne dass die Nachteile überwiegen. Kleine Sensoren haben bei schwachem Licht eine deutlich schlechtere Leistung und haben bei höheren Auflösungen Schwierigkeiten.
Wenn Apple beim iPhone einen größeren Zoom realisieren wollte, könnte der Sensor (theoretisch) halbiert werden. Dies wäre aber wahrscheinlich sehr teuer und würde die Benutzererfahrung stark beeinträchtigen.
Eine bessere Option ist die Vergrößerung des Objektivs.
Eine clevere Lösung
Die Vergrößerung eines Objektivs bringt wiederum eigene Schwierigkeiten mit sich. Das iPhone 11 Pro ist nur 8,1 mm dick. Auch wenn ein 6-mm-Objektiv nicht exakt 6 mm lang sein muss, so kommt es der Länge doch sehr nahe. Es würde also immer noch einen erheblichen Teil des verfügbaren Platzes im Smartphone einnehmen. In einem 8 mm dünnen Telefon ist einfach kein Platz für ein 12-mm-Objektiv.
Es sei denn, man verlegt es seitlich.
Ein Periskopobjektiv funktioniert ähnlich wie ein Periskop in einem U-Boot. Licht trifft auf das vordere Linsenelement und wird dann von einem Spiegel um 90 Grad abgelenkt. Es durchläuft dann alle weiteren Linsenelemente, bevor es auf den Kamerasensor trifft und als Foto aufgezeichnet wird. Durch die Umlenkung des Lichts müssen längere Objektive nicht so tief sein, da sie in die Breite gehen können.
Für Smartphone-Hersteller ist dies ein großer Vorteil. Es ist deutlich praktischer, den nötigen Platz für ein längeres Teleobjektiv horizontal zu finden, als den Sensor zu verkleinern oder ein dickeres Telefon zu bauen.
Dadurch sind die Hersteller nicht mehr auf 50-mm-Äquivalent-Objektive mit 2-fach optischem Zoom (oder, mit etwas Marketing, 3-fach) beschränkt. Es werden 100-mm- (ca. 5-fach Zoom) oder sogar 200-mm-äquivalente (ca. 10-fach Zoom) Objektive möglich.
Natürlich gibt es immer noch Kompromisse, und die Technologie ist neu, aber sie überwindet die größte Einschränkung beim Hinzufügen eines optischen Zooms zu einem Smartphone.
Digitaler vs. Optischer Zoom
Wenn Sie jetzt denken, dass Ihr iPhone bereits einen 10-fach-Zoom hat, haben Sie zwar recht, aber es ist nicht dasselbe. Es gibt einen Grund, warum wir uns hauptsächlich auf die Brennweite und nicht auf Zoom-Multiplikatoren beziehen.
Es gibt nämlich einen wichtigen Unterschied zwischen optischem und digitalem (oder verbessertem, hochauflösendem, räumlichem oder KI-gestütztem) Zoom. Beim optischen Zoom entsteht die Vergrößerung durch die optischen Eigenschaften eines Objektivs mit einer längeren Brennweite. Entfernte Objekte erscheinen wirklich näher, wie durch ein Teleskop, ohne Verlust an Bildqualität.
Dieser 10-fache Zoom auf einem iPhone ist nur ein kleiner Ausschnitt des 2-fachen Zooms.
Digitalzoom in seinen vielen Variationen ist im Grunde nur eine andere Art zu sagen, dass ein Foto so beschnitten wird, dass es wie ein gezoomtes Bild aussieht. Zugegeben, der digitale Zoom hat große Fortschritte gemacht. Mit Sensoren mit hohen Megapixelzahlen, „Binning“ (mehrere Pixel werden als ein einzelnes großes Pixel behandelt) und besseren Upscaling-Algorithmen erzielen die Hersteller bessere Ergebnisse.
Dennoch ist es im Grunde dasselbe, als würde man ein Foto machen und es später zuschneiden. Es gibt keine echte Vergrößerung und es wird immer ein Verlust an Bildqualität auftreten, wenn man weiter hineinzoomt.
Natürlich kann man mit dieser Wahrheit keine Marketingkampagne aufbauen.
Periskop-Objektive sind bereits verfügbar
Apple wird nicht der erste Hersteller sein, der Periskop-Objektive einsetzt. Chinesische Hersteller, insbesondere Oppo und Huawei, experimentieren schon seit einigen Jahren damit. Das Huawei P40 Pro+ mit fünf Kameras verfügt über ein 10-fach Periskop-Teleobjektiv, das einem 240-mm-Objektiv einer Vollformatkamera entspricht.
Die Weitwinkelkamera im Huawei P40 Pro.
Das weiter verbreitete Samsung Galaxy S20 Ultra verfügt über ein 5-fach Tele-Periskopobjektiv, das ungefähr einem 100-mm-Objektiv entspricht. Samsungs Marketing versucht jedoch, diese Information mit teilweise übertriebenen Multiplikatoren zu verschleiern.
Das Periskop mit 5x optischem Zoom. Achten Sie auf die Bildqualität!
Wie bei vielen anderen Smartphone-Funktionen auch wird die Einführung durch Apple für Aufsehen sorgen, auch wenn sie nicht die ersten waren. Man kann mit Sicherheit sagen, dass diese Funktion bis zum Erscheinen des iPhone mit Periskop-Objektiv immer beliebter werden wird.