Warum sind spiegellose Kameras nicht kleiner?

Spiegellose Kameras wurden ursprünglich als eine kompaktere, leichtere und komfortablere Alternative zu DSLR-Kameras positioniert. Betrachtet man jedoch die aktuellen Modelle von Herstellern wie Canon, Nikon und – in etwas geringerem Maße – Sony, so hat sich dieser ursprüngliche Vorteil nicht immer durchgesetzt. Lassen Sie uns untersuchen, warum das so ist.

Canons neues Flaggschiff unter den spiegellosen Kameras, die EOS R5, wiegt etwa 740 Gramm und hat Abmessungen von 13,8 cm x 9,8 cm x 8,8 cm. Das entsprechende DSLR-Modell des Unternehmens, die 5D Mark IV, kommt auf ein Gewicht von rund 890 Gramm und misst 15,1 cm x 11,6 cm x 7,6 cm. Obwohl es einen gewissen Unterschied gibt und die R5 tatsächlich leichter und in den meisten Dimensionen auch kleiner ist, so ist der Unterschied doch nicht so dramatisch, wie man vielleicht erwartet hätte. Und das alles noch ohne Objektiv.

Die Canon EOS R5 ist keine kleine Kamera, insbesondere wenn man ein Objektiv anbringt.

Wenn man beispielsweise das RF 24–105 mm f/4 L IS USM Objektiv (circa 690 Gramm) an die R5 und ein EF 24–105 mm 1:4 L IS II Objektiv (circa 800 Gramm) an die 5D montiert, erhöht sich das Gesamtgewicht auf etwa 1430 Gramm bzw. 1680 Gramm. Man spürt den Unterschied, wenn man beide Kameras gleichzeitig hält. Jedoch sind beide Kombinationen nicht gerade als „leicht“ zu bezeichnen, sondern eher ähnlich gewichtig.

Ein wesentlicher Punkt ist, dass das RF 24-105 und das EF 24-105 ähnliche Abmessungen und Leistung haben. Einer der Hauptvorteile spiegelloser Kameras ist die Verwendung neuer Objektivanschlüsse, die es den Herstellern ermöglichen, noch leistungsfähigere Objektive zu entwickeln.

Der spiegellose Nachfolger des beliebten EF 24-70 f/2.8 L II USM Objektivs (circa 800 Gramm) ist das RF 28-70 1:2,0 L USM, das mit circa 1430 Gramm ein erhebliches Gewicht aufweist. Kombiniert man dies mit der R5, erhöht sich das Gesamtgewicht auf etwa 2,15 kg, während die 5D mit ihrem 24-70 mm Objektiv circa 1,7 kg wiegt. In dieser Kombination ist die spiegellose Kamera sogar schwerer.

Wie kam es zu dieser Entwicklung?

Entscheidungen von Canon und Nikon bei der Produktgestaltung

Der Hauptgrund dafür, dass spiegellose Kameras nicht kleiner und leichter sind als ihre DSLR-Pendants, liegt schlichtweg darin, dass Canon und Nikon dies nicht beabsichtigt haben. Dazu später mehr, aber zunächst ein kurzer geschichtlicher Rückblick.

Die DSLR-Plattformen von Canon und Nikon sind in technologischer Hinsicht schon sehr alt. Canon führte den EF-Mount im Jahr 1987 ein, während die ersten Nikon F-Mount-Objektive bereits 1959 auf den Markt kamen. Das ist im Grunde genommen schon Geschichte.

Diese 30 Jahre alte EOS 620 ist immer noch mit den neuesten Canon-Objektiven kompatibel.

Obwohl Canon und Nikon ihre Objektivplattformen gut genutzt haben, stoßen sie jetzt an physische Grenzen. Canon hätte wahrscheinlich das oben erwähnte, sehr leistungsstarke RF 28-70 f/2-Objektiv gerne auch für seine DSLRs auf den Markt gebracht.

Aufgrund der Konstruktion des Objektivanschlusses war es dem Unternehmen jedoch nicht möglich, ein gleichwertiges Objektiv zu entwickeln. Canon war seit Jahrzehnten auf ein 24-70 mm f/2.8 Objektiv beschränkt.

Als es darum ging, einen neuen Objektivanschluss für ihre spiegellosen Flaggschiff-Kameras zu entwickeln, entschieden sich Canon und Nikon nicht für eine Verkleinerung – sie vergrößerten den Anschluss. Durch den Wegfall des Spiegels konnten sie den Abstand zwischen Objektiv und Sensor verringern, was die Bildqualität verbessert. Durch die Verbreiterung des Anschlusses konnten Objektive mit größeren Blenden hergestellt werden.

Sie haben nun mehr Möglichkeiten für Innovationen, was zu größeren, ungewöhnlicheren Objektiven führt.

Theoretisch hätten Canon und Nikon (und zuvor Sony) kleinere Objektivanschlüsse entwickeln können, aber das hätte sie in ihrer Designfreiheit noch weiter eingeschränkt.

Dies führt uns zum nächsten Grund, warum spiegellose Kameras immer noch so groß sind.

Die Größe der Objektive

Während Kameras viel Aufmerksamkeit erhalten, sind es die Objektive, die den Großteil der Arbeit in der Fotografie leisten. Ein großes Problem für Hersteller, die kleinere Produkte entwickeln wollen, sind die Gesetze der Physik.

Ein Vollformat-Kamerasensor orientiert sich an der Größe eines 35-mm-Filmstreifens. Er hat die Maße 36 x 24 mm, und diese Größe ist kaum zu ändern. Natürlich gibt es kleinere Bildsensoren, wie sie in Smartphones und APS-C-Kameras zum Einsatz kommen, aber diese bringen viele Kompromisse mit sich.

Das High-End-Segment der Amateur- und Profifotografie basiert auf dem 35-mm-Standard, und das gilt auch für die Objektive.

Das Verhältnis zwischen der Brennweite eines Objektivs und der Größe des Sensors hat einen Einfluss darauf, wie die Dinge im Bild erscheinen. Bei einer Vollformatkamera haben Weitwinkelobjektive eine Brennweite von weniger als 40 mm, während Teleobjektive eine Brennweite von mehr als 70 mm haben. Im mittleren Bereich liegen die Normalobjektive, die eine Perspektive ähnlich dem menschlichen Auge bieten.

Die Brennweite ist jedoch eine physikalische Eigenschaft eines Objektivs. Ein Objektiv mit einer Brennweite von 100 mm muss nicht exakt 100 mm lang sein, aber es wird in diesem Bereich liegen.

Einen kleinen Spiegel zu entfernen würde dieses Setup nicht wesentlich leichter machen.

Solange sich die Kamerahersteller der Entwicklung von Vollformatkameras verschrieben haben, sind sie auch verpflichtet, Objektive einer bestimmten, recht umfangreichen Größe zu produzieren. Durch den Einsatz leichterer Materialien oder kompakterer Designs lassen sich zwar geringe Einsparungen erzielen. Es ist jedoch nicht möglich, ein 24-70 mm Zoomobjektiv deutlich kleiner zu bauen, ohne die Bildqualität zu beeinträchtigen.

Da die Objektive eine bestimmte Größe haben müssen, gilt dies auch für die Kameras. Aus diesem Grund wiegt Canons leichteste spiegellose Vollformatkamera, die RP, immerhin noch rund 480 Gramm – etwa zwei Drittel des Gewichts des Flaggschiffs R5.

Auch die günstigeren, leichteren Kameras müssen immer noch mit den gleichen Objektiven verwendet werden.

Der Rückgang des Marktes für Verbraucherkameras

Bislang haben wir uns auf das High-End-Segment des Kameramarktes konzentriert, da dieser Bereich den Herstellern die größten Wachstumschancen bietet.

Seit 2010 ist der weltweite Absatz von Digitalkameras um 87 Prozent gesunken, von 121,5 Millionen auf 15,2 Millionen. Smartphones haben das Low-End-Geschäft mit Kameras für Verbraucher übernommen.

Da fast jeder, der eine kleine, leichte und handliche Kamera haben möchte, diese bereits in seiner Tasche hat, gibt es für die Hersteller wenig Anreiz, ein konkurrierendes Produkt zu entwickeln.

Spiegel waren nie der entscheidende Faktor für die Größe

Ein Aspekt der Diskussion über Kameragröße und -gewicht, der etwas in den Hintergrund gerät, ist, dass die Spiegel in DSLRs nie besonders groß waren. Sie nehmen zwar etwas Platz ein (weshalb spiegellose Kameras etwas geringere Abmessungen aufweisen), waren aber nie besonders schwer. Der Sensor, die Elektronik, der Akku, der LCD-Bildschirm, der Sucher, der SD-Kartensteckplatz, der Objektivanschluss usw. sind nach wie vor vorhanden.

Darüber hinaus wurde, wie bereits erwähnt, die durch den Wegfall des Spiegels eingesparte Größe und das Gewicht für fortschrittlichere Objektivanschlüsse genutzt. Aus diesem Grund hat auch der Wegfall der Kopfhöreranschlüsse bei Smartphones nicht zu kleineren, leichteren Modellen geführt, sondern zu fortschrittlicheren Funktionen.

Gibt es kleine spiegellose Kameras?

Wenn Sie unbedingt eine kleine, leichte, spiegellose Kamera suchen, haben Sie Glück! Es gibt sie, aber sie sind in der Regel keine Flaggschiff-Produkte der meisten Marken. Das liegt daran, dass die Kompromisse, die für ihre Herstellung erforderlich sind, nicht zu beeindruckenden technischen Datenblättern führen.

Canon bietet zum Beispiel die EOS M-Serie von spiegellosen APS-C-Kameras an. Sonys Alpha-Reihe umfasst ebenfalls viele APS-C-Modelle. Da diese den gleichen Objektivanschluss wie die Vollformatkameras verwenden, sind die meisten Objektive jedoch leider immer noch recht groß.

Die spiegellosen Entfernungsmesserkameras der M-Serie von Leica sind hingegen so kompakt, wie es bei einer Vollformatkamera nur möglich ist.