Ist ExpressVPN wirklich so gut, wie alle sagen? Eine detaillierte Überprüfung
Viele VPN-Anbieter behaupten, die besten zu sein. Doch was sagen die Nutzer und Experten wirklich über ExpressVPN? In diesem Testbericht gehen wir der Sache auf den Grund und prüfen, ob der hohe Preis tatsächlich gerechtfertigt ist.
ExpressVPN genießt einen sehr guten Ruf. Zahlreiche Influencer loben den Dienst in den höchsten Tönen. Wir haben uns daher entschlossen, die Behauptungen zu überprüfen und herauszufinden, ob ExpressVPN wirklich hält, was es verspricht.
Hintergrundinformationen zu ExpressVPN
Der Firmensitz von ExpressVPN befindet sich auf den Britischen Jungferninseln, einem Standort, der für den Datenschutz vorteilhaft ist. Die dortigen Gesetze verpflichten VPN-Anbieter nicht zur Speicherung von Nutzerdaten, was für ein „No-Logs“-VPN unerlässlich ist.
Allerdings wurde ExpressVPN im September 2021 von Kape Technologies übernommen, einem Unternehmen, dem einige Cybersicherheitsexperten aufgrund seiner Vergangenheit skeptisch gegenüberstehen. Für besonders sicherheitsbewusste Nutzer gibt es daher Alternativen wie Mullvad VPN, Surfshark VPN oder PureVPN.
Da jedoch viele Benutzer ein VPN auch für Unterhaltung, P2P-Filesharing und Spiele nutzen, werden wir ExpressVPN hier unvoreingenommen unter die Lupe nehmen.
Einige der wichtigsten Merkmale von ExpressVPN sind:
- Keine Protokollierung von Nutzerdaten
- AES-256-Bit-Verschlüsselung
- Server in 94 Ländern
- Split-Tunneling
- Nur-RAM-Server
- Kill-Switch (Not-Aus-Schalter)
- Privates DNS
- Nutzung auf bis zu 5 Geräten gleichzeitig
- 24/7 Kundensupport
Einige Funktionen wie Multi-Hop, Server-Verschleierung, Tor über VPN und Werbeblocker fehlen jedoch. Angesichts des Preises sollten diese Features eigentlich selbstverständlich sein. Gerade im Vergleich zu günstigeren, aber dennoch effektiven Anbietern wie ProtonVPN und Surfshark, die mit diesen Funktionen aufwarten können, fällt dies negativ auf.
Was uns jedoch neugierig macht, sind die Versprechungen von sehr hohen Geschwindigkeiten und dem Entsperren von Geo-Einschränkungen. Das werden wir im Praxistest genauer untersuchen.
Erste Schritte mit ExpressVPN
Wir haben das Monatsabo für 12,95 $ abonniert. ExpressVPN bietet auch 6-Monats- und Jahresabos an. Das Jahresabo ist mit monatlich 8,32 $ am günstigsten, aber immer noch nicht billig. Alle Abos beinhalten eine 30-Tage-Geld-zurück-Garantie.
Es gibt verschiedene Zahlungsmöglichkeiten, darunter Kreditkarten, PayPal und Kryptowährungen. Bei der Registrierung werden Name, E-Mail-Adresse und optional ein PIN-Code abgefragt. Anschließend erhält man einen Aktivierungscode zur Nutzung der Apps.
Wir haben den Windows-Client heruntergeladen und mit dem Aktivierungscode aktiviert.
Benutzeroberfläche
Die Benutzeroberfläche ist übersichtlich und benutzerfreundlich gestaltet. Es gibt eine zentrale Schaltfläche, mit der man sich mit dem ausgewählten Serverstandort verbindet.
Über das Hamburger-Menü oben links gelangt man zu den Einstellungen. Hier kann man alle Serverstandorte einsehen und die gewünschten Favoriten markieren. Die Benutzeroberfläche ist minimalistisch gestaltet und gefällt uns gut.
Es wäre jedoch wünschenswert, wenn ExpressVPN auch die Serverauslastung anzeigen würde, wie es beispielsweise bei ProtonVPN der Fall ist. So könnte man leichter weniger ausgelastete (und damit schnellere) Server auswählen. Das wäre eine sinnvolle Ergänzung, die man von einem so teuren und viel gelobten VPN erwarten könnte.
Split-Tunneling
Für einen Test als Unterhaltungs-Tool ist die Split-Tunneling-Funktion sehr wichtig.
Mit Split-Tunneling kann man auswählen, welche Apps über die VPN-Verschlüsselung laufen sollen und welche nicht. Die nicht geschützten Apps nutzen die normale Internetverbindung.
Das ist besonders nützlich, da VPN-Verbindungen aufgrund der starken Verschlüsselung die Internetgeschwindigkeit verlangsamen können.
Man findet diese Einstellung im Hamburger-Menü unter Optionen > Allgemein > Verbindung pro App verwalten. Diese Option ist ausgegraut, wenn eine VPN-Verbindung aktiv ist.
Nach einem Klick auf Einstellungen öffnet sich ein weiteres Fenster:
Hier kann man zwischen zwei Modi wählen: Apps, die eine VPN-Verbindung nutzen sollen, und Apps, die diese vermeiden sollen. Das Pluszeichen ermöglicht das Hinzufügen weiterer Apps.
Nach der Konfiguration bestätigt man die Auswahl mit „OK“.
Kill-Switch
Ein Kill-Switch unterbricht die Internetverbindung, falls die VPN-Verbindung abbricht, und schützt so die Anonymität des Nutzers. Die Einstellung befindet sich im Bereich „Netzwerksperre“ unter den allgemeinen Einstellungen.
ExpressVPN schützt vor serverseitigen Problemen, um die IP-Adresse zu verbergen. Einige andere VPN-Anbieter wie HideMyAss und Proton bieten jedoch eine proaktivere Variante des Kill-Switches. Diese unterbrechen die Internetverbindung auch dann, wenn man vergisst, das VPN einzuschalten, oder es absichtlich ausschaltet. Der Kill-Switch von ExpressVPN ist also etwas eingeschränkt, da er sich auf Serverstörungen und nicht auf benutzerseitige Aktionen konzentriert.
Protokolle
VPN-Clients nutzen verschiedene Algorithmen, um eine Verbindung zu den Servern herzustellen. Diese werden als VPN-Protokolle bezeichnet. Die bekanntesten und am weitesten verbreiteten sind OpenVPN und WireGuard.
ExpressVPN bietet eine lange Liste von Protokollen an, darunter IKEv2 und L2TP/IPsec, die bei anderen VPN-Anbietern nicht oft vorkommen.
Überraschenderweise wird WireGuard nicht angeboten. Früher stand dort der Hinweis, dass es in Arbeit sei.
WireGuard ist inzwischen vollständig implementiert, und viele VPN-Anbieter nutzen eine modifizierte Version, um eine statische IP-Schwachstelle zu schließen. Es ist also an der Zeit, dass ExpressVPN WireGuard unterstützt.
Erwähnenswert ist das von ExpressVPN entwickelte Protokoll Lightway. Es ist Open Source und wurde von dem unabhängigen Sicherheitsunternehmen Cure53 geprüft. Bei der Überprüfung wurden 14 nicht kritische Fehler festgestellt, die in späteren Updates behoben wurden. Ein Pluspunkt für ExpressVPN, auch wenn die Protokollliste mit WireGuard noch besser wäre.
Nach dieser Vorbereitung stürzen wir uns in die Tests.
IP-, WebRTC- und DNS-Lecktests
Das Verbergen der eigenen IP-Adresse ist der erste Schritt zur digitalen Anonymität. Die IP-Adresse kann verwendet werden, um den Standort zu ermitteln, personalisierte Angriffe zu starten und weitere Schäden zu verursachen. Außerdem kann die IP-Adresse über WebRTC, eine Schwachstelle in Webbrowsern, durchsickern.
Um den Schutz von ExpressVPN zu überprüfen, haben wir BrowserLeaks verwendet.
Hier wurde unsere IPv4-Adresse sowie die IPv6-Adresse und WebRTC-Lecks erfolgreich verborgen.
Als Nächstes haben wir einen DNS-Leaktest durchgeführt. Dieser testet, ob der VPN-Server DNS-Anfragen an den Internetanbieter statt an seine eigenen Server sendet.
DNS-Anfragen sind erforderlich, um eine Website zu laden. Der Computer fordert den DNS-Server auf, einen Webseitennamen (wie z.B. example.com) in eine IP-Adresse umzuwandeln (wie z.B. 142.358.48.12). Andernfalls könnte der Internetanbieter die IP-Adresse einsehen und alle Webaktivitäten protokollieren.
Der DNS-Leaktest zeigte, dass ExpressVPN einwandfrei funktioniert. Alle Anfragen wurden über die vorgesehenen Server geleitet und keine an den Internetanbieter.
Verschlüsselungstest
Informationen werden in Datenpaketen übertragen, die man mit kostenlosen Tools wie Wireshark abfangen und entschlüsseln kann.
Hier ein Beispiel:
Das zeigt die Browser, das Betriebssystem und die IP-Adressen von Quelle und Ziel. Solche Informationen können in den falschen Händen gefährlich sein. Ein großer Teil der Webaktivitäten lässt sich durch die Analyse von DNS-Anfragen einsehen:
Die Hauptaufgabe eines VPN ist es, diese Pakete zu verschlüsseln, um die Informationen für Außenstehende unlesbar zu machen.
Wir haben das Lightway-Protokoll von ExpressVPN verwendet und nach Informationslecks gesucht. Leider war unsere IPv6-Adresse in einem der Pakete über das ICMPv6-Protokoll sichtbar.
Das war sogar der Fall, obwohl der IPv6-Leak-Schutz aktiviert war. Das ist ein großer Minuspunkt. Die Lösung besteht entweder darin, die IPv6-Adresse am Gerät zu deaktivieren oder zu riskieren, diese bei der Verwendung von ExpressVPN preiszugeben. Dasselbe Problem hatten wir auch bei ProtonVPN.
Auch Surfshark hatte mit diesem Problem zu kämpfen, obwohl dort angeführt wird, dass IPv6 nicht unterstützt wird. ExpressVPN kann man also bedenkenlos verwenden, wenn man keine aktive IPv6-Adresse wünscht und diese deaktiviert. Die restlichen Pakete inklusive der DNS-Anfragen wurden erfolgreich verschlüsselt.
Geschwindigkeitstest
Hier soll ExpressVPN besonders glänzen. Die Software beinhaltet einen Geschwindigkeitstest, der die schnellsten Server für die jeweiligen Standorte anzeigt. Die angezeigte Download-Geschwindigkeit ist hierbei jedoch nicht die, die man tatsächlich erhält.
Man kann Standorte und Kontinente auswählen oder den Test über jeden Server ausführen.
Danach haben wir an ausgewählten Orten zweimal einen Geschwindigkeitstest mit dem Tool von Ookla durchgeführt. Hier sind die durchschnittlichen Ergebnisse:
Server | Download-Geschwindigkeit (Mbps) | Latenz (ms) |
Standard | 49,2 | 28 |
Smart Location (UK) | 44,9 | 31 |
Singapur | 46,2 | 160,5 |
Hongkong | 45,4 | 92,5 |
New York, USA | 38,6 | 524,5 |
Die Downloadgeschwindigkeiten waren hervorragend, und wir haben kaum Drosselungen festgestellt. Die Latenz war aufgrund der Entfernung und weiterer Faktoren, die von einem VPN nicht beeinflusst werden können, höher. Das Einzige, was ExpressVPN noch verbessern könnte, ist die Upload-Geschwindigkeit.
Geo-Unblocking-Test
Der Zugang zu globalen Inhalten ist einer der Hauptgründe für ein VPN-Abonnement. Es gibt viele positive Rückmeldungen, dass ExpressVPN Streaming-Plattformen mühelos entsperren kann. Da es jedoch keine Server gibt, die explizit als Streaming-optimiert markiert sind, ist es interessant zu sehen, wie sich ExpressVPN hier schlägt.
Wir konnten mit dem zweiten Server, den wir ausprobiert haben, auf Netflix USA zugreifen:
Danach haben wir mit dem selben Server Amazon Prime Video US und Hulu geprüft, und ExpressVPN hat die geografischen Beschränkungen auch hier problemlos umgangen.
Schließlich konnten wir mit einem britischen Server auf BBC iPlayer zugreifen:
ExpressVPN hat diesen Streaming-Test also mit Bravour bestanden.
Fazit
ExpressVPN bietet eine hervorragende Benutzeroberfläche, sehr hohe Downloadgeschwindigkeiten und ermöglicht einen reibungslosen Zugriff auf Streaming-Inhalte.
Dennoch wäre es schön, wenn der Dienst um mehr datenschutzorientierte Funktionen wie Netzwerkverschleierung, Multi-Hop, einen ausgereifteren IPv6-Schutz und einen erweiterten Kill-Switch ergänzt würde.
Angesichts des Preises empfehlen wir, sich vor der Entscheidung auch ProtonVPN und Surfshark anzusehen.
PS: Sind Sie unsicher, welches VPN am besten zu Ihnen passt? In diesem Leitfaden finden Sie die wichtigsten VPN-Funktionen, die Sie beachten sollten.