Photophorese: Sonnenlicht-Antrieb für die obere Atmosphäre

Eine neuartige Klasse von sich selbst hebenden Geräten, die ausschließlich durch Sonnenlicht angetrieben werden, steht bereit, die Atmosphärenforschung zu revolutionieren, indem sie einen beispiellosen Zugang zu einer bisher unerreichbaren Region der oberen Erdatmosphäre ermöglicht. Diese leichten Membranen, die das subtile Phänomen der Photophorese nutzen, haben erfolgreich Flüge unter nahezu Vakuum-Bedingungen demonstriert und eröffnen damit neue Wege für die Datenerfassung, die für die Klimamodellierung, die Vorhersage von Weltraumwetter und das Verständnis der atmosphärischen Zusammensetzung von entscheidender Bedeutung ist.

  • Angetrieben ausschließlich durch Sonnenlicht.
  • Nutzen das physikalische Phänomen der Photophorese.
  • Ermöglichen den Zugang zur bisher unerforschten „Ignorosphäre“.
  • Gewinnen kritische Daten für Klimamodelle und Weltraumwettervorhersage.
  • Haben Flugfähigkeit unter nahezu Vakuum-Bedingungen bewiesen.
  • Planen die Kommerzialisierung und den Einsatz für Sensorik.

Das Prinzip der Photophorese

Das Funktionsprinzip dieser innovativen Geräte ist die Photophorese, ein physikalischer Effekt, bei dem ein dünnes Material aufgrund unterschiedlicher Temperaturen auf seinen gegenüberliegenden Seiten eine Bewegung erfährt. Wenn eine Seite der Membran, die aus Aluminiumoxid und einer Chromschicht besteht, Licht absorbiert und wärmer wird, prallen Gasteilchen, die mit dieser Oberfläche kollidieren, mit höherer Energie ab, wodurch ein subtiler Aufwärtsschub erzeugt wird. Dieser Effekt, wenngleich schwach, wird in Umgebungen mit extrem niedrigem Druck signifikant und imitiert die Bedingungen, die am Rande des Weltraums zu finden sind.

Erfolgreiche Experimente und Validierung

Jüngste Experimente, die in einem am 13. August in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichten Artikel detailliert beschrieben werden, demonstrierten die Machbarkeit dieser Technologie. Forscher ließen erfolgreich 1 Zentimeter (0,4 Zoll) breite Partikel in einer Vakuumkammer schweben, als diese Licht ausgesetzt wurden, das etwa 55 % der Intensität des natürlichen Sonnenlichts aufwies. Ben Schafer, Hauptautor und Forscher an der Harvard John A. Paulson School of Engineering and Applied Sciences (SEAS), betonte die Bedeutung dieses Ergebnisses und erklärte gegenüber Space.com, dass es die Wirksamkeit der Technologie unter Bedingungen der oberen Atmosphäre bestätigt.

Die „Ignorosphäre“: Eine unerforschte Region

Diese Geräte sind speziell für die Erforschung der „Ignorosphäre“ konzipiert, einer kritischen Atmosphärenschicht, die sich in Höhen von etwa 50 bis 160 Kilometern (30 bis 100 Meilen) erstreckt und die Mesosphäre sowie die untere Thermosphäre umfasst. Diese Region ist zu hoch für herkömmliche Flugzeuge und zu niedrig für Instrumente an Bord von Satelliten im niedrigen Erdorbit, wodurch sie weitgehend unerforscht blieb. Die Ignorosphäre spielt eine entscheidende Rolle als Grenze zwischen der Gashülle der Erde und dem Weltraum und dient als primärer Empfänger von Energie aus solaren Ereignissen wie koronalen Massenauswürfen. Phänomene wie Nordlichter und energetische Austauschprozesse, die zu geomagnetischen Stürmen führen können, welche Stromnetze und Satellitenbahnen stören können, treten in dieser Zone auf. Zusätzlich ist es der Bereich, in dem Satelliten beim Wiedereintritt verglühen, was Bedenken hinsichtlich der Ansammlung von Luftverschmutzung aufwirft. Die Gewinnung präziser Daten zu Winden, Temperaturen und Drücken aus dieser Region wird voraussichtlich die Genauigkeit bestehender globaler Klimamodelle erheblich verbessern.

Kommerzialisierung und Einsatzkonzept

Zur Förderung der Kommerzialisierung dieser Technologie gründeten Schafer und seine Kollegin Angela Feldhaus Rarefied Technologies, ein Startup-Unternehmen, das aus Harvard SEAS hervorgegangen ist. Für praktische Anwendungen, wie das Heben von Miniatursensoren und Antennen in die Ignorosphäre, müssten die Membranen auf etwa 6 cm (2,4 Zoll) Breite skaliert werden, um eine Nutzlast von ungefähr 10 Milligramm zu tragen. Das Einsatzkonzept sieht vor, diese Geräte aus einem Stratosphärenballon in einer Höhe von etwa 50 km (30 Meilen) freizusetzen. Von dort aus würden sie sich selbstständig auf Höhen von bis zu 100 km (60 Meilen) fortbewegen, ihre Höhe während der Tageslichtstunden beibehalten und nachts absinken. Vorausgesetzt, sie sind ausreichend leicht, würden sie nicht vollständig zur Erde zurückfallen, sondern mit der Morgensonne wieder aufsteigen.

Historischer Kontext und neue Möglichkeiten

Obwohl das Phänomen der Photophorese bereits im 19. Jahrhundert identifiziert wurde, blieb seine praktische Anwendung bis zu den jüngsten Fortschritten in der Materialwissenschaft und Nanofabrikation weitgehend unbeachtet. Schafers Arbeit wurde von David Keith inspiriert, ehemals Professor an der SEAS und jetzt an der University of Chicago, der theoretisch vorschlug, reflektierende photophoretische Membranen für Geoengineering als Strategie zur Eindämmung des Klimawandels zu nutzen. Keith, der Schafers Forschung bis 2023 betreute, betonte die Neuheit dieser Entwicklung und nannte sie „das erste Mal, dass jemand gezeigt hat, dass man größere photophoretische Strukturen bauen und sie tatsächlich in der Atmosphäre fliegen lassen kann“, und hob ihr Potenzial hervor, eine völlig neue Klasse passiver, sonnenlichtbetriebener Geräte zur Erforschung der oberen Atmosphäre zu eröffnen.

Zukünftige Anwendungen und Potenziale

Die potenziellen Anwendungen dieser Technologie reichen über die Erdatmosphäre hinaus, einschließlich der Erforschung der dünnen Marsatmosphäre. Schafer weist auch auf die Möglichkeit hin, dass diese Geräte die Datenraten von Satellitenkonstellationen im niedrigen Erdorbit wie SpaceX’s Starlink übertreffen könnten, indem sie kleine Kommunikationspakete in die Mesosphäre tragen. Er räumt jedoch ein, dass dies erheblich leichtere und größere Geräte erfordern würde, um ausreichende Kommunikationsnutzlasten und Navigationseinheiten zur Aufrechterhaltung stabiler Positionen über bestimmten terrestrischen Punkten aufzunehmen.