Scharfstellen bei Offenblende: So gelingt’s
Das Scharfstellen ist unkompliziert, wenn eine kleine Blendenöffnung von f/8 oder noch kleiner verwendet wird, da die meisten Bildelemente dann scharf abgebildet werden. Jedoch kann die Fokussierung deutlich schwieriger werden, wenn große Blenden wie f/2.8, f/1.8 oder sogar f/1.2 zum Einsatz kommen. Dieser Artikel zeigt, wie man bei der Verwendung von Objektiven mit großer Blendenöffnung optimale Ergebnisse beim Fokussieren erzielt.
Wenn vom Fokus die Rede ist, geht es primär um die Bildschärfe. Nehmen wir an, ein Porträt soll aufgenommen werden. Egal ob mit f/1.8 oder f/16 fotografiert wird, das Objektiv wird stets auf denselben Punkt fokussieren – in diesem Fall das Model. Der Hauptunterschied liegt in der Schärfentiefe, also dem Bereich, in dem die Schärfe als akzeptabel empfunden wird. Bei f/16 ist diese Tiefe deutlich größer. Sehen wir uns dies einmal in der Praxis an.
Angenommen, ein 85mm-Objektiv an einer Vollformatkamera wird verwendet und das Motiv befindet sich in einer Entfernung von 2,5 Metern. Bei einer Blende von f/1.8 beträgt die Schärfentiefe lediglich neun Zentimeter, davon vier Zentimeter vor dem Fokuspunkt und fünf Zentimeter dahinter.
Das bedeutet, dass das Gesicht des Models unscharf erscheint, wenn stattdessen auf die Hand fokussiert wird, welche sich beispielsweise sechs Zentimeter vor dem Gesicht befindet. Dies wird in der folgenden Aufnahme deutlich, wo die Hände scharf abgebildet, das Gesicht aber unscharf ist, da die Hände sich zu weit vor dem eigentlichen Fokuspunkt befinden.
Bei einer Blende von f/16 hingegen, ergibt sich eine akzeptable Schärfentiefe von 82 Zentimetern, wobei 35 Zentimeter vor dem Fokuspunkt und 48 Zentimeter dahinter liegen. Dieses Ergebnis ist deutlich einfacher zu erzielen. Es ist möglich, auf den ausgestreckten Arm zu fokussieren und dennoch ein gutes Bild zu erhalten.
Die Blendenöffnung ist nur einer der Faktoren, der die Schärfentiefe beeinflusst. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Brennweite. Bei einem Wechsel zu einem 35mm-Objektiv und Beibehaltung des gleichen Abstands zum Motiv, beträgt die Schärfentiefe bei f/1.8 etwa 54 Zentimeter, während sie bei f/16 erstaunliche 72 Meter erreicht. Aus diesem Grund wird bei Teleobjektiven eine kleinere Blendenöffnung als „große Blende“ angesehen. Bei einem 200mm-Objektiv ist f/5.6 mit Sicherheit eine große Blende, bei einem 17mm-Objektiv hingegen nicht. Es ist ratsam, die hier genannten Empfehlungen zu beherzigen, wann immer es hilfreich erscheint.
Es sollte erwähnt werden, dass für diese Berechnungen der Online-Rechner von DOFMaster verwendet wurde. Dieses Tool ist sehr hilfreich und es empfiehlt sich, einige Minuten damit zu verbringen, die eigene Ausrüstung einzugeben, um die resultierende Schärfentiefe zu visualisieren.
Nun aber genug der Theorie. Bei der Verwendung großer Blendenöffnungen ist es in den meisten Fällen unerlässlich, den Autofokus zu nutzen, es sei denn, es handelt sich um alte Ausrüstung, die speziell für den manuellen Fokus konzipiert wurde oder die Kamera befindet sich auf einem Stativ. Ein präzises manuelles Fokussieren ist in den meisten Fällen kaum möglich, daher muss der Autofokus optimal genutzt werden.
Einen einzelnen Autofokuspunkt nutzen
Jede Kamera bietet eine Reihe von Autofokus-Punkten. Man kann zwischen allen, einer Untergruppe oder einem einzelnen Punkt auswählen. Das Thema wurde bereits ausführlich in einem früheren Artikel über die optimale Nutzung des Autofokus behandelt.
In vielen Situationen bietet eine Gruppe von Autofokus-Punkten eine gute Balance. Es ermöglicht eine gewisse Kontrolle über den Fokusbereich der Kamera, ohne dabei zu restriktiv zu sein. Bei der Arbeit mit großen Blendenöffnungen ist jedoch eine präzisere Eingrenzung des Fokusbereichs vorteilhaft. Eine geringe Schärfentiefe kann dazu führen, dass beispielsweise die Nase und Augenbrauen einer Person scharf abgebildet werden, während die Augen selbst unscharf sind.
Daher ist es empfehlenswert, einen einzelnen Autofokuspunkt oder eine kleine Gruppe zu verwenden, die direkt auf dem Bereich platziert wird, der scharf abgebildet werden soll. Bei Porträts bedeutet dies, den aktiven Autofokuspunkt direkt auf das Auge des Models zu legen.
Eine weitere sinnvolle Option, die bei großen Blendenöffnungen in Frage kommt, ist der Augenerkennungs-Autofokus, falls die Kamera dies unterstützt. In diesem Fall übernimmt die Kamera die Platzierung des einzelnen Autofokuspunktes.
Kontinuierlichen Autofokus verwenden
Kameras verfügen meist über drei verschiedene Autofokus-Modi: Einzel, Hybrid und Kontinuierlich.
Der Einzel-Autofokus sucht den Fokus und hält ihn dann fest, sobald er gefunden wurde. Er eignet sich gut für Landschaftsaufnahmen. Bei geringer Schärfentiefe und sich bewegenden Motiven kann es jedoch häufig zu Fokusverlusten kommen.
Der kontinuierliche Autofokus hingegen verfolgt das Motiv fortlaufend. Es kann zwar vorkommen, dass die Kamera kurzzeitig auf den Hintergrund fokussiert, aber insgesamt ist dieser Modus zuverlässiger und sollte verwendet werden.
Der Hybrid-Autofokus kombiniert Einzel- und kontinuierlichen Autofokus. Das Problem ist, dass der Hybrid-Modus bei sehr geringer Schärfentiefe Schwierigkeiten haben kann, sich an kleine Bewegungen des Motivs anzupassen. Weitere Informationen zu den verschiedenen Autofokus-Modi finden sich in dem dazugehörigen Artikel.
Serienbildaufnahmen nutzen
Auch bei Verwendung eines einzelnen Autofokuspunktes und des Serienmodus können einige Aufnahmen unscharf sein. Dies ist die Realität bei der Arbeit mit sehr geringer Schärfentiefe. Ein Vorteil der Serienbildfunktion ist, dass man die Anzahl der Aufnahmen erhöhen kann.
Dabei ist es nicht erforderlich, den Auslöser gedrückt zu halten, wie bei einem Videospiel. Es genügt, drei oder vier Aufnahmen hintereinander zu machen, anstatt nach jeder Aufnahme zu stoppen. Auch wenn sich das Motiv bewegt, hat der Autofokus so ausreichend Zeit, um sich anzupassen.
Zudem ist es nicht notwendig, dass das Motiv während der Serienaufnahmen stillhält. Das Model kann sich bewegen, Posen verändern und allgemein aktiver sein. Dadurch werden bessere und natürlichere Fotos erzielt, sowie mehr scharfe Aufnahmen.
Moderne Kameras können mit Weitwinkelobjektiven sehr gut fokussieren, wenn der Autofokus richtig eingesetzt wird. Ein weiterer Tipp ist die Verwendung des „Back-Button-Focus“, um noch mehr Kontrolle über den Fokus zu gewinnen.
Bildquelle: Canon