Wenn man einen Computer mit Open-Source-Software entwickeln möchte, ist dies heutzutage kein Problem. Jedoch sind die zugrundeliegenden Prozessoren in der Regel proprietär. RISC-V stellt hier eine vielversprechende Ausnahme dar: ein Open-Source-Prozessordesign, das sich immer größerer Beliebtheit erfreut und das Potenzial hat, die gesamte Computerlandschaft zu verändern.
Eine Alternative zu Intel und ARM
Aktuell wird der Markt von zwei dominierenden Prozessordesigns beherrscht: ARM und Intels x86. Obwohl beide Unternehmen enorm erfolgreich sind, verfolgen sie grundlegend unterschiedliche Geschäftsmodelle.
Intel entwirft und produziert seine Chips selbst, während ARM seine Designs an Dritte, wie Qualcomm und Samsung, lizenziert. Diese Unternehmen können dann eigene Verbesserungen hinzufügen. Während Samsung seine Prozessoren intern fertigt, lagern „Fabless“-Designer, wie Qualcomm, die Produktion an Dritte aus.
Im Falle von ARM verlangt dies häufig Geheimhaltungsvereinbarungen, um Designmerkmale von Chips vertraulich zu behandeln. Dies ist nicht überraschend, da das Geschäftsmodell auf geistigem Eigentum und nicht auf der Produktion selbst basiert.
Auch Intel wahrt die Geheimnisse seiner kommerziellen Designs. Da beide Prozessortypen kommerziell sind, haben Wissenschaftler und Open-Source-Entwickler kaum Möglichkeiten, das Design zu beeinflussen.
RISC-V: Ein anderer Ansatz
RISC-V verfolgt einen völlig anderen Ansatz. Es ist kein Unternehmen, sondern entstand 2010 an der Universität von Kalifornien in Berkeley als lizenzfreie Open-Source-Alternative zu den etablierten Anbietern.
Es ist vergleichbar mit der Installation von Linux anstelle von Windows – es fallen keine Kosten an und es müssen keine einschränkenden Lizenzvereinbarungen akzeptiert werden. RISC-V zielt darauf ab, dasselbe im Bereich der Halbleiterforschung und des Designs zu erreichen.
ARM lizenziert sowohl die Instruction Set Architecture (ISA), welche die nativen Befehle eines Prozessors definiert, als auch die Mikroarchitektur, die zeigt, wie diese Befehle implementiert werden können.
RISC-V bietet nur die ISA an, was Forschern und Herstellern erlaubt, eigene Implementierungen zu entwickeln. Dies ermöglicht die Skalierbarkeit für verschiedene Anwendungen, von energieeffizienten 16-Bit-Chips für Embedded-Systeme bis hin zu 128-Bit-Prozessoren für Supercomputer.
Wie der Name andeutet, basiert RISC-V auf den Prinzipien des Reduced Instruction Set Computing (RISC), wie auch Chips von ARM, MIPS, SPARC und Power.
Was bedeutet das konkret? Jeder Computerprozessor nutzt Anweisungen, kleine Programme, die in Hardware realisiert sind und dem Prozessor mitteilen, was zu tun ist.
RISC-basierte Chips haben in der Regel weniger Befehle als CISC-Chips (Complex Instruction Set Computing), wie sie von Intel verwendet werden. Zudem sind die Anweisungen in der Hardware einfacher zu implementieren.
Einfachere Anweisungen erlauben Chipherstellern effizientere Designs. Der Nachteil ist, dass komplexe Aufgaben vom Prozessor nicht direkt ausgeführt werden, sondern in kleinere Anweisungen per Software zerlegt werden müssen.
RISC hat den Spitznamen „Relegate the Important Stuff to the Compiler“ erhalten. Dies ist nicht negativ, sondern eher ein Ergebnis der Funktionsweise eines Computerprozessors.
Prozessoren in Computern und Telefonen bestehen aus Milliarden von Transistoren. In CISC-Chips repräsentieren viele dieser Transistoren die verschiedenen Befehle. Da RISC-Chips weniger Befehle haben, werden weniger Transistoren benötigt. Dies schafft Platz für andere Komponenten wie Caches, Speicherregister oder zusätzliche Funktionen für KI und Grafikverarbeitung.
Es können auch kleinere Chips hergestellt werden, da weniger Transistoren insgesamt notwendig sind. RISC-basierte Chips von MIPS und ARM sind daher häufig in IoT-Geräten zu finden.
Der Wunsch nach mehr Leistung
Die Lizenzierung ist nicht der einzige Vorteil von RISC-V. David Patterson, ein Pionier der RISC-Prozessorforschung, sagte, RISC-V sei entwickelt worden, um die Grenzen der durch Fertigungsverbesserungen erzielbaren CPU-Leistung zu überwinden.
Je mehr Transistoren auf einem Chip verbaut werden können, desto leistungsfähiger ist ein Prozessor. Daher arbeiten Chiphersteller wie TSMC und Samsung an der Reduzierung der Transistorengröße.
Der Intel 4004 hatte 2.250 Transistoren mit je 10.000 Nanometern. Im Gegensatz dazu hat der Apple A14 Bionic-Prozessor, der im neuen iPad Air verwendet wird, 11,8 Milliarden Transistoren mit einem Durchmesser von 5 Nanometern.
Gordon E. Moore, Mitbegründer von Intel, postulierte 1965, dass sich die Anzahl der Transistoren auf einem Chip alle zwei Jahre verdoppeln würde.
Moores Gesetz, welches die Verdopplung der Transistorenanzahl prognostizierte, wird voraussichtlich in diesem Jahrzehnt nicht mehr gelten. Es ist auch fraglich, ob die Chiphersteller den Trend zur Miniaturisierung fortsetzen können. Kleinere Transistoren sind teurer und aufwändiger in der Herstellung. TSMC hat beispielsweise über 17 Milliarden Dollar in seine Fabrik investiert, um 5-nm-Chips zu fertigen. RISC-V versucht, das Leistungsproblem durch neue Wege zu lösen, die nicht nur auf der Verkleinerung der Transistoren basieren.
RISC-V im Einsatz
Das RISC-V-Projekt startete 2010, und der erste Chip mit dieser ISA wurde 2011 hergestellt. Drei Jahre später wurde das Projekt öffentlich, und kommerzielles Interesse folgte. Unternehmen wie NVIDIA, Alibaba und Western Digital nutzen die Technologie bereits.
Die Ironie ist, dass RISC-V an sich keine bahnbrechend neue Technologie ist. Auf der Webseite des Projekts wird erwähnt, dass die RISC-V ISA auf Ideen der Computerarchitektur basiert, die mindestens 40 Jahre zurückreichen.
Bahnbrechend ist jedoch das Geschäftsmodell, oder vielmehr das Fehlen eines solchen. Das Projekt ist somit offen für Experimente, Entwicklung und unbeschränktes Wachstum. Die RISC-V Foundation erklärt auf ihrer Webseite:
„Das Interesse besteht darin, einen gemeinsamen, freien und offenen Standard zu schaffen, auf den Software portiert werden kann, und der jedem die freie Entwicklung eigener Hardware erlaubt, um diese Software auszuführen.“
Derzeit sind RISC-V-Chips hauptsächlich in Serverfarmen und als Mikrocontroller im Einsatz. Es bleibt abzuwarten, ob sie das Potenzial haben, das Duopol von ARM und Intel im Consumer-Bereich zu durchbrechen.
Sollten die etablierten Anbieter jedoch stagnieren, könnte ein neuer Akteur in den Markt eintreten und alles verändern.